Großbritannien, das zerstrittene Königreich, auf den Spuren Griechenlands

Das Vereinigte Königreich (UK) verlässt die EU. Nach dem Brexit-Referendum hatten die regierenden Konservativen  um Premierministerin May entdeckt, wie toll ein solcher Abschied vom europäischen Kontinent ausgehen könnte. Ungeahnte Möglichkeiten würden dem Land in der weiten Welt winken, die nur darauf warte, mit den Briten ins Geschäft zu kommen. Realistischerweise hat Premierministerin May schon einmal erklärt,  dass das nur funktioniere, wenn das Land zu einer Steueroase à la Panama umgebaut werde.

Die EU schien in dieser Zukunftphantasie keine Rolle zu spielen,  obwohl sie doch der größte Handelspartner des Landes ist. In einem Anflug von völliger Betriebsblindheit setzte May noch Neuwahlen an, weil man ihr eine überwältigende absolute Mehrheit prognostizierte. Das ging dann gründlich schief und jetzt steht Großbritannien ratlos vor einem Scherbenhaufen. Plötzlich kommen auch Bedenken auf, ob ein knallharter völliger Abschied von der EU tatsächlich für Großbritannien positiv sein werde. Es tobt eine heftige Diskussion darüber, wie der Abschied von der EU aussehen soll.

Sind die Voraussetzungen für den Austritt wirklich so rosig wie das die Nationalisten darstellen?
Der Wirtschaftswissenschaftler Alexander Tziamalis von der Sheffield Hallam University hat da seine Zweifel. Er vergleicht Großbritannien mit Griechenland und kommt zur Ansicht, dass es da viele fatale Ähnlichkeiten gibt.
Er schreibt unter anderem:

Beide Länder erfreuten sich eines schuldengetriebenen Wohlstandes. Die Regierungen des UK erhöhten die Schulden noch wesentlich aggressiver als ihre griechischen Counterpart. Mehrere griechische Regierungen haben für viele Jahre Defizite eingefahren. Sie waren der öffentlichen Daseinsvorsorge verpflichtet wie freie Gesundheitsversorgung und Bildung. Beide Länder unterhalten eine teure Armee, einen ausgedehnten öffentlichen Dienst und haben Milliarden für die Ausrichttung der olympischen Spiele ausgegeben. Der griechischen Regierung ist es kürzlich gelungen die Defizite in den Griff zu bekommen und sie hat seit kurzem einen strukturellen Überschuss im Haushalt, während man im UK immer noch auf diese Entwicklung wartet.

Beide Länder haben in den 1980er Jahren einen industriellen Niedergang erlebt und haben Beschäftigungsmöglichkeiten im Dienstleistungssektor und bei den Staatseinkünften gefördert. Im UK hat der Dienstleistungssektor jetzt einen Anteil von 78%, in Griechenland bei 85%. Die griechische Wirtschaft lebt vom Tourismus, dem Finanzsektor und dem Immobilienmarkt. Es ist ziemlich diesselbe Situation wie in Großbritannien, aber in einer anderen Größenordnung. Das UK und Griechenland teilen sich auch eine Kultur des Wohnungseigentums, das von billigem Geld gefördert wurde und was den Immobilienmarkt in beiden Ländern in eine kritische Situation gebracht hat. Die heftigen Schwankungen auf Grund der Finanzkrise machte das Risiko einer Vermögensanlagen-Blase klar, aber diese Kultur führt aber auch zu einer eingeschränkten Mobilität der Arbeitskräfte und wenig Möglichkeiten der Umschulung, was zu einem massiven Fehlen von Fachkräften im UK führt.

Britannien ist bei Beginn der Verhandlungen mit der EU in einer brenzligen Situation. Gerade zum jetzigen Zeitpunkt bedeutet der Brexit für die Geschäftswelt nur Unsicherheit und Unsicherheit ist eine direkte Bedrohung für die lukrativste Industrie im Land: Den Finanzsektor. Die Gefahr besteht darin, dass ein großer Teil dieser Industrie von den ehemaligen Partner in der EU ermutigt oder gedrängt wird, ihren Sitz nach Finanzzentren wie Dublin, Paris und Frankfurt zu verlegen. Ebenfalls in Gefahr ist Britanniens Rolle als Tor für Hunderte Milliarden Euro an ausländischen Direktinvestitionen in die EU, einem 500 Millionen Einwohner starken Wirtschaftsraum.

Und so wie die griechischen Regierungen zu Beginn des griechischen Dramas von den Entscheidungen der Europäischen Zentralbank abhängig waren, sind den UK Regierungen die Hände jetzt gebunden. Die monetäre Politik hat bereits alles getan, was möglich war.
Das fallende Pfund und die gestiegene Inflation nach dem Brexit-Referendum machen eine Abwertung des Pfunds wertlos. Eine weitere Abwertung würde das den Konsumenten zur Verfügung stehende Einkommen schmälern und den damit verbundenen Konsum und würde ein Warnzeichen für nervöse Investoren abgeben. Die Zinssätze sind bereits sehr tief und eine weitere Reduzierung würde geringe Wirkung haben.

Und was ist mit der Fiskalpolitik? Auf den ersten Blick steht die nationale Verschuldung des UK bei geringen 88% des BSP veglichen mit Griechenlands 181%. Könnte deshalb das UK Investitionen finanzieren, den Konsum ankurbeln und sich den Weg aus der Brexit-Unischerheit  und drohender Rezession herauskaufen? Griechenland hat dies von 2004 bis 2009 versucht. Fast ein Jahrzehnt später haben die steigenden Schulden aus dieser Zeit Griechenland in ein wirtschaftliches Koma versetzt.

Und es gibt noch mehr Gründe, warum eine Nutzung der Fiskalpolitik gefährlich für das UK sein würde. Wenn das UK zusätzlich zu den bisherigen Schulden, die sich zur Zeit auf etwa 1,7 Billionen Pfund belaufen, noch weitere Schulden aufnehmen würde, dann würden das die internationalen Finanzmärkte so verstehen, dass das UK in die Brexit-Verhandlungen zu einem Zeitpunkt hoher politischer Unsicherheit stolpert und große Summen von Geld verlangt, um die Schulden zu refinanzieren und der Fiskalpolitik Priorität einräumen zu können. Um das erhöhte Risiko auszugleichen werden die Investoren höhere Zinsen verlangen. Die Bedienungen der Schulden wird damit noch kostenintensiver. Griechenland kann euch erzählen wie es endet, wenn man das richtige Gleichgewicht nicht hinbekommt.

Dem zu Grunde liegend ist am Ende die am meisten kritische Ähnlichkeit. Die UK Wahlen vom 8. Juni haben zu einer gelähmten Regierung geführt. Eine kleine Mehrheit und die Verschiedenartigkeit jeder möglichen Koalitionsregierung führt dazu, dass sich die Regierung weder nach links noch nach rechts, weder nach vorwärts noch nach rückwärts bewegen kann, ohne wichtige Unterstützung zu verlieren und zusammenzubrechen.

Die griechischen Regierungen in den Jahrzehnten bevor die Krise das Land traf, sind das beste Beispiel, wie die Angst vor politischen Kosten zu einer desaströsen Fehlen von Bewegung in der Wirtschaft führen kann. Zusätzlich zu den tiefgreifenden strukturellen Herausforderungen, geringer Produktivität und einer Menge zurückzuzahlender Schulden steht das UK jetzt auch noch vor den Aussichten eines schlechten Verhandlungsergebnisses  mit der EU, negativen Erwartungen aus der Geschäftswelt, erschöpfte monetäre und fiskalische Politik-Optionen und schwerwiegenden Drohungen für seinen lukrativen Finanzsektor.

Selbst eine effektive und entschweidungsfreudige britische Regierung mit einem klaren Mandat würde es schwer fallen, die Wirtschaft vor Schäden zu bewahren. Für die paralysierte und uneffektive Regieung, die durch die UK Wahlen zustande kam, kann diese Herausforderung sich als unmöglich erweisen: Das öffentliche Vertrauen wird schwinden, das Vertrauen der Märkte sinken.  Griechenland hat uns gezeigt, dass man nicht in diesen Gegenwind segeln sollte, wenn man es vermeiden kann. Die Aussicht neuer Wahlen mag nicht angenehm sein, aber sicher wäre es besser die Zukunft einer oder mehrerer Generationen einer Regierung zu überlassen, die diesen Namen auch verdient.

Informationsquelle
Brexit and weak government: a drama lesson from the Greek economy

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