Brasiliens neue Vision für Straftäter

Der Rechtsanwalt und Rektor der Universität Unorp, Eudes Quintino, berichtet über die Einstellung der Brasilianer zu Straftätern, dass der überwiegende Teil des brasilianischen Volkes es für gut hält, dass Vorbeugehaft verhängt wird und die Täter in den Gefängnissen weggeschlossen werden. Er leitet diese Einstellung aus der Rechtstradition des portugiesischen Königreiches ab, wo jemand, der die Gemeinschaft schädigt, sofort ins Gefängnis geworfen wurde ohne eine Chance, eine Strafe auf Bewährung zu bekommen und frei zu bleiben. So sind die Brasilianer der Ansicht, dass bei Straftaten die sofortige Herstellung der Sicherheit an erster Stelle steht und an zweiter die exemplarische Bestrafung des Täters.

Brasilien gehört zu den Ländern mit den höchsten Kriminalitätsraten der Welt. Brasilianische Gefängnisse sind überfüllt. Ständig kommt es zu Gefängnismeutereien. Die Politiker sind ratlos, man redete zwar häufig über notwendige Reformen im Strafvollzug, aber getan hat sich nicht viel. Nun ist am vergangenen Freitag die neue Strafprozessordnung (Código de Processo Penal) in Kraft getreten, mit der immerhin ein Schritt im Hinblick auf mehr Fortschritt im Strafvollzug gewagt wird. Wichtige Teile, die die Untersuchungshaft, Kaution, vorläufige Freilassung und andere Vorsichtsmaßnahmen betreffen, wurden geändert. Mit der neuen Strafprozessordnung gibt es jetzt die Möglichkeit für geringfügige Straftaten, deren Strafandrohung unter 4 Jahren liegt, eine Bewährungsstrafe auszusprechen, wenn der Straftäter bisher nicht straffällig wurde.

Die brasilianische Gesetzgebung betrachtet den einfachen Diebstahl, das illegale Tragen von Waffen, schuldhafte Tötung im Straßenverkehr ohne Vorsatz, Bandenbildung, ungerechtfertigte Bereicherung, Schädigung öffentlicher Güter, Schmuggel, Freiheitsberaubung, Zeugenbeeinflussung während eines Prozesses, Meineid und ähnliches als geringfügige Straftaten . 

Während vor der Gesetzesänderung in diesen Fällen nur zwei Alternativen zur Wahl standen, nämlich sofortige Einlieferung ins Gefängnis, wenn der Untersuchungsrichter den Täter für ein Sicherheitsrisiko für die Gesellschaft hielt  oder die Freiheit, so können jetzt auch Maßnahmen, die dazwischen liegen verhängt werden und die Inhaftierung muss nur angewandt werden, wenn der Täter Vorstrafen hatte oder Zweifel über seine Identität bestehen.

Die Gesetzesänderung eröffnet die Möglichkeit tausende von Gefangene im Brasilien von einem auf den andern Tag aus den Gefängnissen zu entlassen. Die Entlassungen können unter Auflage der Zahlung einer Kaution oder unter Anbringung einer elektronischen Fußfessel erfolgen. Das wäre dann tatsächlich eine Reform, die ihren Ruf wert wäre, denn in den brasilianischen Gefängnissen befinden sich 183.000 Gefangene, die noch auf ihren Prozess warten. Insgesamt soll es laut Angaben des brasilianischen Justizministerium derzeit in brasilianischen Gefängnissen 496.000 Gefangene geben.

Laut Rechtsanwalt Eudes Quintino wird das Gesetz viele Vorteile für die derzeit in Untersuchungshaft sitzenden Gefangenen bringen. Man schätzt, dass mehr als 80.000 davon jetzt freigelassen werden können. Nach Eudes Quintino bringt das zwar dem brasilianischen Gefängnissystem Entlastung, aber könnte auch ein Freibrief für die Kriminalität sein und die soziale Überwachung in Gefahr bringen.

Es stimmt, einschneidende Reformen haben auch ihre Gefahren, aber vielleicht bringt dieser Weg Brasilien auch ein Stück weiter, denn seine Gefängnisse sind auch eine Brutstätte der Gewalt. Ein als zukünftige Weltmacht angehender Staat kann es sich nicht leisten, Kriminelle nur wegzusperren, er muss auch versuchen, seine straffälligen Bürger durch soziale Wiedereingliederung von neuen Straftaten abzubringen. Vielleicht ist das der beste Weg zur Bekämpfung der Kriminalität.

Siehe auch:
Strafvollzug in Brasilien: Geisteskranker wird im Gefängnis vergessen
Stadt gegen Land, eine blutige Bilanz in Brasilien
Container-Gefangene dürfen nach Hause

Informationsquelle:
Com mudança na lei, prisão para autor de crime leve só ocorrerá em última opção – Brasil Atual
Novas regras de prisão –JusBrasil

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